Die Rentenfrage kommt ans Tageslicht
Viele Entscheidungen auf dem Arbeitsmarkt haben auch efgreifende Auswirkungen auf die soziale Sicherheit. Das beitragsabhängige System wurde für einen Arbeitsmarkt konzipiert, der von vorwiegend stabilen Verträgen geprägt war. Im Laufe der Jahre hat sich dieses Szenario jedoch radikal verändert. Im Jahr 1995 war die unbefristete Beschäftigung die Norm, während die f lexible Arbeit streng geregelt war. In diesem Kontext waren die Auswirkungen des neuen Sozialwesens vorhersehbar und überschaubar.
Mit den nachfolgenden Arbeitsmarktreformen sind viele Formen der prekären Beschäftigung entstanden, die den Rentenschutz zunehmend unsicherer machen. Im beitragsabhängigen System ist nämlich eine auf das Minimum aufgestockte Rente vorgesehen, wobei verschiedene Kriterien berücksichtigt werden, während im beitragsabhängigen System dieser Schutz fehlt. Ein solidarischeres öffentliches Rentensystem ist daher unerlässlich. Es sei daran erinnert, dass bereits heute neue Rentner den Arbeitsmarkt mit mehr als 30 Beitragsjahren verlassen, die im Rahmen des Beitragssystems berechnet wurden. In Zukun wird sich diese Klu noch weiter vergrößern, was die Unsicherheit über die Rentenleistungen für die jüngere Genera on erhöht. Für die jüngsten Arbeitnehmer kann die Einführung einer „garan erten Rente“ nicht länger aufgeschoben werden, wenn wir die Tragödie der Armut für diejenigen vermeiden wollen, die nur in prekären oder schlecht bezahlten Jobs arbeiten.
Außerdem dürfen wir nicht vergessen, dass auch die Zusatzrente, die geschaffen wurde, um die mit dem neuen System verbundenen Verluste auszugleichen, und die die damalige Beschä igungssitua on widerspiegelte, heute die gleichen Grenzen aufweist. Diese Form der Zusatzrente sollte durch Zahlungen des Arbeitnehmers, der Unternehmen und der Abfindung sowie durch Steuervorteile eine zusätzliche Leistung garan eren. Heute sind jedoch viele Arbeitnehmer gezwungen, häufig den Arbeitsplatz zu wechseln, sie sind o rechtlich selbständig und viele haben keine vertragliche Abfindung, die sie inves eren können. Die Logik der Pensionsfonds war für Arbeitnehmer gedacht, die in einem stabilen und kon nuierlichen Beschä igungsverhältnis standen. Bei niedrigen Löhnen und prekären Arbeitsverhältnissen wird es für diese Menschen jedoch schwierig, unabhängig in Fonds zu inves eren, zumal sie o nicht einmal von Steuervorteilen profi eren. Paradoxerweise sind es gerade sie, die eine Rentenaufstockung am nö gsten haben.
Die von der Gewerkscha seit langem geforderte Rentenreform wird daher zu einer dringenden Notwendigkeit, wenn wir das öffentliche System stabilisieren und das Anwachsen einer Genera on von armen Rentnern verhindern wollen.
Dies sind die grundlegenden Ansatzpunkte, um Formen der Armut sowohl während des Arbeitslebens als auch im Alter zu vermeiden. Natürlich brauchen wir neben angemessenen Löhnen auch Beschä igungsstabilität und andere Formen angemessener Sozialleistungen im Bedarfsfall.
Auch die Alterung der Bevölkerung und die sinkenden Geburtenraten müssen berücksich gt werden. Die Nachhal gkeit des Wohlstands hängt jedoch in erster Linie von dem von der Wirtscha produzierten Wohlstand ab und erst in zweiter Linie von der Zahl der Beschä igten. Heute produzieren wir mit weniger Menschen viel mehr als in der Vergangenheit, selbst in der jüngsten Vergangenheit. Die eigentliche Herausforderung für die Sicherung des Wohlstands sind daher Wirtscha swachstum und Produk vität, die die notwendigen Ressourcen für die Gesellscha als Ganzes erzeugen müssen. In der Folge muss die Verteilung der verfügbaren Ressourcen, die heute völlig unausgewogen und ungerecht ist, neu überdacht werden. Aus diesen Gründen glauben wir, dass es möglich ist, das Wohlfahrtssystem ohne schmerzha e Eingriffe zu reformieren und es langfris g stabil und nachhal g zu gestalten.
Alfred Ebner