Dolomiten unter Belagerung
Die Dolomiten wurden als UNESCO-Welterbe ausgezeichnet, um diese einzigar gen Gebirgslandscha en für zukün ige Genera onen zu bewahren.
Doch das Gegenteil ist eingetreten: Heute sind sie eine hoffnungslos überlaufene touris sche A rak on, die meist von Tagesausflüglern besucht wird und allmählich im Chaos zu versinken droht. Der Tourismussektor profi ert stark vom Entstehen einer „Mi elschicht“ in vielen Schwellenländern, deren steigendes Einkommen das Bedürfnis weckt, die Welt zu entdecken. Die große Zahl an Reisenden aus Fernost, die unsere Städte besuchen, ist ein deutliches Beispiel dafür. Zudem haben sich die Reisegewohnheiten verändert: Längere Urlaube werden zunehmend durch mehrere kurzen Aufenthalte an verschiedenen Orten ersetzt.
Der Erfolg besmmter Regionen in Süd rol ist daher leicht nachvollziehbar. Soziale Medien tragen erheblich zur Popularität ausgewählter Sehenswürdigkeiten bei. Da der Tourismus o schwer zu steuern ist und sich vor allem auf wenige Hotspots konzentriert, kommt es leicht zu Problemen. Letztendlich entscheidet nämlich jeder einzelne Reisende selbst, wohin es geht.
Für strukturschwache Regionen wie Süd rol ha e der Tourismus in der Vergangenheit jedoch zweifellos große Verdienste. Er förderte auch die Entwicklung anderer Wirtscha sbereiche wie Landwirtscha und Handwerk, trug zum Erlernen von Fremdsprachen bei und förderte eine weltoffenere Mentalität in der Bevölkerung. Trotz dieser posi ven Aspekte dürfen die nega ven Folgen nicht ausgeblendet werden – besonders wenn der Lebensraum der Einheimischen beeinträch gt wird. Dies zeigt sich beispielsweise in überhöhtem Verkehrsau ommen, Müllproblemen, Wasserknappheit und stark steigenden Mietpreisen. Besonders problema sch ist der sogenannte „Selfietourismus“, bei dem der ausschließliche Zweck darin besteht, ein Bild für soziale Medien wie Facebook und Co. zu machen. Davon profi eren die meisten Bewohner vor Ort meist wenig oder gar nicht. Niemand sollte Menschen aus anderen Ländern den Besuch unserer Berge verwehren, denn im Grunde sind auch wir überall auf der Welt Touristen, die fremde Sehenswürdigkeiten bewundern. Es braucht jedoch dringend Maßnahmen, um die nega ven Auswüchse in den Griff zu bekommen. Ansonsten drohen ernstha e Konflikte: Für die Einheimischen wird der Fremdenverkehr zu einem roten Tuch, und für die Besucher führen lange Warteschlangen langfris g zu einer nega ven Erfahrung. Das Problem hierzulande ist nicht der Tourismus an sich, sondern die ungleiche Verteilung der touris schen Auslastung. Während einige Orte überlaufen sind, gibt es anderswo noch freie Kapazitäten. Erschwerend kommt der stark gewachsene Markt für kurzfris ge Vermietungen über Online-Pla ormen hinzu, denn inzwischen versuchen auch große Unternehmen in das Geschä einzusteigen. Dies steht in direkter Konkurrenz zu tradi onellen Beherbergungsbetrieben und führt dazu, dass die Zahl der für Einheimische verfügbaren Wohnungen dras sch sinkt, mit spürbaren Folgen für die Mietpreise. Die Steuerung all dieser Prozesse ist komplex. Zudem ist das Problembewusstsein vielerorts noch nicht ausreichend ausgeprägt und Lösungen sind nicht einfach umzusetzen. „Die Geister, die man rief“, sind hartnäckig und nicht leicht loszuwerden. Leider scheint die Poli k häufig eher darauf bedacht, besmmte Interessengruppen zufriedenzustellen, sta wirksame Konzepte zur Regulierung des Touristenstroms zu entwickeln. Eine offene und breit angelegte Diskussion über die Herausforderungen und Chancen des Tourismus zwischen Poli k, Interessenvertretungen, Sozialpartnern sowie den Vertretern der betroffenen Gemeinden und Bürger könnte helfen, tragfähige Lösungen zum Wohl aller Beteiligten zu finden.
Alfred Ebner