de/Povertà tutte età

ARMUT BETRIFFT ALLE ALTERSSCHICHTEN

12.4.2024su Tageszeitung

Das Thema Armut bewegt auch in Südtirol die öffentliche Meinung. Besonders die ältere Bevölkerung scheint davon stark betroffen zu sein. Armut ist aber ein gesellschaftliches Problem, das alle Altersschichten betrifft. Ein Interview mit dem Generalsekretär der

Rentnergewerkschaft LGR/SPI Alfred Ebner.

Wie beurteilen Sie die Situation?

Alfred Ebner: Die Armut hat in den letzten Jahren sicherlich zugenommen. Was aber stark zugenommen hat, ist die Armutsgefährdung. Die Lebenssituation vieler Menschen, die bisher irgendwie über die Runden gekommen sind, hat sich verschlechtert. Eine unerwartete finanzielle Ausgabe entwickelt sich dann zu einer schier unüberwindbaren Hürde.

Die statistischen Zahlen spiegeln diese Situation nicht immer wieder?

Armut hat viele Gesichter. Die Haushaltseinkommen erfassen nur eine Dimension der Armut. Es zählt dabei nicht nur die Höhe der Einkommen. In der aktuellen Situation kommt es vermehrt darauf an, ob man mit dem eigenen Einkommen ein würdiges Leben führen kann. Auch können bestimmte Faktoren wie Gesundheit, Bildung oder die Wohnverhältnisse, unabhängig vom Einkommen, auf ein erhöhtes Armutsrisiko hinweisen. Solche Themen finden aber kaum einen Niederschlag in den statistischen Erhebungen.

Nimmt man nur das Einkommen als Grundlage, bleiben wichtige Aspekte bei der Armutsbekämpfung auf der Strecke. Es ist sicherlich die Aufgabe der Politik, die Armut zu bekämpfen, noch wichtiger wäre es aber, dieser vorzubeugen. Wir kennen einige Risiken, die vermehrt zu Schwierigkeiten führen: geringe Bildung, Arbeitslosigkeit, Gesundheitszustand und eine Herkunft aus ärmlichen Verhältnissen gehören dazu. Hier sollte man bereits im Vorfeld ansetzen.

Was sollte man also tun?

Da Armut ein Problem quer durch alle Gesellschaftsschichten ist, brauchte es nicht nur Hilfen für die Betroffenen, sondern auch präventive Maßnahmen. Alles auf den Sozialbereich oder auf finanzielle Hilfen zu reduzieren, ist zu wenig. Viele öffentliche

Einrichtungen müssen zusammenarbeiten, um den Betroffenen zu helfen und jenen, die ein hohes Armutsrisiko haben, bereits im Vorfeld unter die Armen zu greifen, um so ein Abrutschen in die absolute Armut zu verhindern. Auch hier ist vorbeugen besser als heilen.

Für ältere Menschen wäre dies aber kaum möglich.

Sicherlich kann man im hohen Alter das eigene Einkommen wohl kaum durch Arbeit verbessern. Die Rente ist der ausschlaggebende Faktor zur Armutsbemessung und eventuelle Eingriffe müssen strukturell und längerfristig erfolgen. Aber auch hier ist nicht nur die Höhe der Rente für eine Armutsbewertung ausschlaggebend. Wir sprechen nämlich meist über die Höhe der einzelnen Renten und kaum über das effektive Einkommen vieler Rentner. Ungefähr 50.000 Rentner beziehen zwei oder mehrere Bezüge. Auch muss man bei der Bewertung das Familieneinkommen hernehmen, um die Situation korrekt zu beurteilen. Ebenso wäre es ungerecht, dass Schwarzarbeiter und jene, die die Sozialabgaben hinterzogen haben, eine annähernd gleiche Rente erhalten wie jene Personen, die ihre Sozialbeiträge ein Leben lang korrekt einbezahlt haben. Da die Rente aufgrund der bezahlten Beiträge und der Dienstjahre berechnet wird, sollte man auch dies in Betracht ziehen, wenn man von Renten spricht.

Rente und Sozialleistungen.

In der öffentlichen Diskussion spricht man immer von Rente. Dabei gilt es zwischen einer Pension und einer Sozialleistung zu unterscheiden. Eine Rente erwirtschaftet sich der Einzelne im Laufe seines Lebens aufgrund der bezahlten Beiträge. Eine Anhebung aller Renten auf 1.000 Euro wäre demnach eine Gleichmacherei und ein Wink mit dem Zaunpfahl, die Sozialabgaben zu hinterziehen. Der Rest sind Sozialleistungen, die aus dem öffentlichen Topf kommen und von den ehrlichen Steuerzahlern finanziert werden. Eine Trennung der beiden Leistungen beim INPS wäre längst fällig, um Klarheit zu schaffen.

Wie sollte man also vorgehen, um den Beschluss des Landtages umzusetzen?

Es braucht klare Kriterien, unter welchen Voraussetzungen der Bürger auf diese zusätzlichen Beihilfen Anrecht hat. Hier gibt es sicherlich genug Daten, die dem Lande bereits bekannt sind. Ausstehende Informationen kann man sich über das NISF/INPS

besorgen. Bisher war die Zahl der älteren Mitbürger, denen es aufgrund bestimmter Lebenslagen nicht möglich war, eine Rente anzusparen und die den Zuschuss bekommen haben, eher gering. Besonders betroffen dürften zumeist alleinstehende Frauen über 65 Jahre sein, die sich der Familie gewidmet haben. Da diese Tätigkeit kostenlos verrichtet wird, im Grunde genommen aber eine wichtige Leistung für die Gesellschaft darstellen, ist demnach eine konkrete Hilfe sicherlich mehr als gerechtfertigt. Für uns ist dabei immer wichtig, dass die Hilfen immer gerecht verteilt werden und dorthin gehen, wo sie notwendig sind. Dabei muss man klar festhalten, dass es sich um Sozialleistungen handelt und dass diese üblicherweise aufgrund einer Bewertung des Einkommens und des Vermögens der Familie gewährt werden. Dies ist sicherlich ein notwendiger Schritt um die Gelder jenen zu gewähren, die effektiv arm sind. Es wäre nämlich unlogisch, beispielsweise eine hohe Rente des Ehepartners nicht zu berücksichtigen.

Eine abschließende Bemerkung zu den Renten.

Es braucht eine Rentenreform um das Risiko der Altersarmut im beitragsbezogenen Rentensystem abzufedern. Auch sollte jeder Bürger sich vom ersten Tag der Erwerbstätigkeit an um seine Beiträge kümmern. Falls man bereits in die Armutsfalle

getreten ist, sollte man zumindest auf die bereits bestehenden Leistungen ohne Schamgefühl zugreifen. Hier liegt noch Einiges im Argen. Vielleicht sollte man auch das ganze System vereinfachen, um den Seniorinnen und Senioren den Zugang zu erleichtern.

Aber man darf niemals vergessen, dass Armut ein gesellschaftliches Problem ist, das als Ganzes anzugehen ist.

Share by: